Der Bergsport hat im Bereich Klettern eine rasante Entwicklung erlebt. Geklettert wird auf der Schwäbischen Alb schon seit über 100 Jahren (1896) und schon lange auf hohem Niveau, was die Begehung der "Langen Felsenwand" (heute 6+ UIAA) vor 70 Jahren an den Linken Wittlinger Felsen bei Bad Urach eindrucksvoll belegt.
Seit H. Kiene und R. Karl 1977 die Pumprisse im Wilden Kaiser kletterten und so die Schwierigkeitsskala der UIAA nach oben geöffnet haben, hat sich vieles geändert. Aus dem reinen Üben für das Gebirge haben sich eigenständige Disziplinen im Bereich Klettern entwickelt. Dies geht vom Bouldern (Klettern in Absprunghöhe), "Free Climbing" oder Sportklettern (Klettern ohne künstliche Hilfsmittel, das Seil wird nur zur Sicherung verwendet) bis zum Wasserfalleisklettern im Winter.
Am Albtrauf im Raum Reutlingen gibt es Felsen, die besonders gut für Anfängerkurse geeignet sind (Wiesfels oberhalb von Glems), große "alpine" Nordwände mit 100 Meter Wandhöhe (Rutschenfels bei Bad Urach) und in vieler Hinsicht anspruchsvolle Felsen (Traifelberg in der Gemeinde Lichtenstein) bis zur Bouldermöglichkeit (Spielplatzfels bei Bad Urach). Leider musste der Klettersport Ende der achtziger Jahre die Sperrungen von Kletterfelsen aus Naturschutzgründen verkraften. Viele Felsen werden seit dieser Zeit nicht mehr zum Klettern betreten. Die Rechten Wittlinger und der Fünffinger Fels sind hier nur exemplarisch genannt. Auch der Uracher Wasserfall, eine der wenigen Eisklettermöglichkeiten im Raum Reutlingen, wurde gesperrt. Schade ist, dass im gleichen Zeitraum z.B. beim Eninger Fels 30000 Kubikmeter Fels weggesprengt wurden, um eine Strasse zu verbreitern (Zeitersparnis 30 Sekunden laut Reutlinger Nachrichten 13.08.2004).
Durch die jahrelange, von Jürgen Nuber und D. Brodmann mit initiierte, unermüdliche Arbeit des Arbeitskreises Klettern und Naturschutz Reutlingen, die für alle Felsen Felspaten stellen, konnten viele Wogen geglättet und Verständnis für die Natursportart Klettern geweckt werden. Dennoch ist die Sperrungssituation nach wie vor dramatisch und überwiegend unbegründet.
Im Raum Reutlingen hat sich der Klettersport immer vielfältig entwickelt. Eine herausragende Bedeutung hat hier seit dem letzten Jubiläum der Sektion Reutlingen Rainer Nedele aus Honau, der leider 2003 in Spanien verstorben ist. Er erschloss 1982 im Alter von 15 Jahren am Traifelberg die Route Ikarus (eine der schönsten 6er Routen der Schwäbischen Alb). Seine ca. 50 Erstbegehungen auf der Schwäbischen Alb und im Donautal setzten Maßstäbe - weniger in der absoluten Schwierigkeit, als vielmehr durch ihre herausragenden psychischen Anforderungen (z. B. "Casino Royal" Traifelberg (8 1983), "Popobello" Geschlitzter Fels (A3+ 1986, "Psychologika" Eichfels (8+ 1986). Einige seiner Routen werden heute zu recht Extremklassiker genannt. R. Nedele ist viele seiner Routen im Solo gegangen - auf einem Niveau, das zu seiner Zeit selbst im internationalen Vergleich kaum erreicht wurde.
Andere, wie z. B. die Uracher Klettergruppe um die Kletterführerautoren und Erstbegeher Jörg Nuber, U. Reusch und M. Sauter (Begeher der zu seiner Zeit schwersten Route im Ermstal "Snail" 10-) herum, haben ihre Spuren an den Felsen der Region in Form von Kletterlinien hinterlassen. Durch die von A. Pasold u. a. angestoßene Entwicklung des Sportkletterns im Raum Reutlingen wurden die Schwierigkeiten immer weiter nach oben getrieben und so gab es Zeiten, in denen jedes Wochenende im Bergwachtbuch Bad Urach neue Touren eingetragen wurden. Heute gibt es viele schöne Routen auf der Schwäbischen Alb ab dem 3. bis zum 10. Grad Schwierigkeitsgrad (z. Zt. ist die schwerste Route von Matti Staniek "Crimpomanie" 10+). Dank der Arbeit des AKN sind viele Routen saniert und mit sicheren Haken und Umlenkungen ausgestattet.
Eine weitere Entwicklung hat das Bouldern in Reutlingen erlebt. Da das Bouldern aus Naturschutzgründen im Raum Reutlingen nur sehr eingeschränkt möglich ist, lag es nahe, hier eine der ersten künstlichen Kletteranlagen in Reutlingen zu bauen: das "Räumle". Aus den Anfängen des ersten Boulderraumes, der mit viel Energie (antreibende Kraft war hier S. Eckstein) der Jugend der Sektion Reutlingen gebaut wurde, ist ein Boulderzentrum in der ehemaligen Ypernkaserne entstanden, das über die Tore von Reutlingen hinaus bekannt ist. Erlebte Reutlingen Anfang der 90er Jahre noch Funwettkämpfe mit regionaler Bedeutung, werden heute in Reutlingen nicht nur Jugendwettkämpfe sondern auch die Baden-Württembergische Bouldermeisterschaften ausgetragen. Hier ist eine gute Zusammenarbeit zwischen der Sektion Reutlingen des DAV und der IG Klettern Schwäbische Alb entstanden.
Wettkampfklettern hat in der Sektion Reutlingen schon fast Tradition. Neben einigen Deutschlandcupteilnehmern kommt aus der Sektion Reutlingen die ehemalige Baden-Württembergische Bouldermeisterin und Deutsche Vizemeisterin I. Bischoff. Der Nachwuchs aus der Jugendgruppe hat in den Bereichen Schwierigkeitsklettern und Bouldern in der jüngsten Zeit einige Erfolge aufzuweisen (Helen Danco, Noreen Degener, Nina Ullitzsch, Catrin Gorzellik, Jakob Frey, Norman Völz u.a.).
Die aktuellen Wettkampfergebnisse sind auf der Homepage des Landesverbandes und auf www.digitalrock.de zu finden.
Geklettert wird in der Sektion Reutlingen natürlich nicht nur im "Räumle" oder an z. B. den linken Wittlingern, sondern es werden auch in den hohen Wänden der Alpen neue Touren erschlossen (z. B. J. Nuber), in den Granitwänden des Karakorums (siehe z.B. die Expedtionsberichte im der Jubiläumsschrift der Sektion Reutlingen) oder in Eis und Fels Erstbegehungen gemacht. In diesem Bereich, wie auch im Expeditionsbereich, sind die Verbindungen des Fachbereichs Klettern in der Sektion Reutlingen zur Bergsteigergruppe sehr eng.
Neben den vielen Schnittstellen z. B. zur JDAV und als Ansprechpartner zum Thema Klettern bietet der Fachbereich Klettern heute Kletterkurse (in Kooperation mit dem Kletterzentrum Reutlingen), Klettertreffen und Ausfahrten an. Für die Zukunft ist zu wünschen, dass die Natursportart Klettern auch in Reutlingen ihre Bedeutung behalten wird, unsere Kinder noch neue Möglichkeiten des Kletterns an den Felsen der Schwäbischen Alb entdecken können bzw. dürfen und nicht vergessen: "Der beste (Kletterer) auf der Welt ist derjenige, der den meisten Spaß hat" frei nach A. Lowe
Aktuelle Infos zu den Kletterfelsen gibt es unter felsinfo.alpenverein.de
Literatur: