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Von der Sektion Reutlingen unterstützte Expeditionen

Neue Direktroute in der Zugspitze (Superdirekte Nordwand), Fritz Miller, März 2022

 

Nach der „Direkten Nordwand“ war nun die „Superdirekte Nordwand“ (1000 m, M6, 5+, A3+) an der Reihe: Vom 24.-25.03.2022 glückte Fritz Miller (DAV Reutlingen) und Michaela Schuster (DAV Kaufbeuren) der Durchstieg der direktesten und schwierigsten Kletterroute auf Deutschlands höchsten Gipfel.

Bericht von Fritz Miller

In den letzten Jahren haben wir viel Zeit an den Wänden und Graten des Zugspitzmassivs verbracht, wobei der Fokus meist aufs Winterbergsteigen in der zentralen Nordwand der Zugspitze gerichtet war. Ich habe keine andere Wand erlebt, in der das Winterklettern so fordernd ist wie hier: Der Kalk ist über weite Strecken brüchig oder vom sommerlichen Steinschlag derart geglättet, dass er kaum Halt bietet. Zuverlässige Sicherungen lassen sich nur schwierig anbringen – und dann sind da noch die Spindrifts, die sich so gerne über die Wand ergießen…

Trotz aller Widrigkeiten bietet die Nordwand der Zugspitze unzählige Möglichkeiten für Routen und Routenkombinationen und jede Menge Platz für neue Kreationen. Der Weg zur „Superdirekten Nordwand“, jener Linie, dies uns so lange vorschwebte, führte über Umwege. Eine wichtige Station war die Erstbegehung der „Direkten Nordwand“ im Spätherbst 2020. Teile der Wand waren zu diesem Zeitpunkt mit einer dünnen Schicht aus angefrorenem, recht festem Schnee überzogen, die es ermöglichte, glatte Felsplatten zu überwinden. In der ersten, überhängenden Wandstufe sowie in der Headwall kletterten wir im Grenzbereich des Möglichen und es ist wenig verwunderlich, dass die Route bisher nicht wiederholt werden konnte. Ende des Jahres 2020 kletterten Michaela und ich dann auf der Linie der „Superdirekten Nordwand“ bis zum einfacheren Mittelteil der Wand. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits ausgelaugt von vielen kalten und gefährlichen Tagen in den Wänden und irgendwann mental komplett am Ende.

Nach einer längeren Pause glückte uns Mitte März des Jahres 2022 wieder eine Aktion am Zugspitzmassiv: Ein Winter-Enchaînement von Zugspitze Nordwand und Jubiläumsgrat mit anschließender Überschreitung der Alpspitze, komplett ohne Bergbahnunterstützung und in nur 15 Stunden. Diese Tour festigte wieder den Glauben an die eigene Stärke und wir fühlten uns bereit für den nächsten Schritt. Eine Woche später stiegen wir erneut zur Wand auf, diesmal mit dem vollen Bigwall-Material für einen mehrtägigen Ausflug ins Ungewisse.

Projekt „Superdirekte Nordwand“ – es wird ernst…

Und so stehen wir wieder einmal am Einstieg der „Direkten Nordwand“, am oberen Ende des Bayerischen Schneekars, wo unser Projekt beginnt. Schon auf den ersten Seillängen zeigt sich, dass die Bedingungen nicht mit jenen zu vergleichen sind, die wir bei unseren letzten Versuchen vorfanden. Schnee und Eis haben sich in der ersten Wandstufe soweit zurückgebildet, dass manche Passagen recht einfach zu klettern sind. Doch wir erleben auch die Kehrseite, und in der Eisrinne der vierten Seillänge wird es zum ersten Mal brenzlig. Der Fels ist hier absolut glatt, vom Eis ist nicht mehr viel übrig und was noch da ist, verabschiedet sich in relevantem Maße unter den Schlägen meiner Eisgeräte. Nach 15 Metern Eiertanz ohne Möglichkeit der Zwischensicherung ist das Schlimmste geschafft und der Weg frei zur nächsten Wandstufe.

Nach elfstündiger Kletterei erreichen wir schließlich den Fuß des „Plattenpfeilers“, etwas oberhalb der Wandmitte. Im letzten Licht des Tages graben wir einen Biwakplatz in den Schnee, der sich hier Meterhoch angehäuft hat. Bald darauf wird es dunkel und wir verkriechen uns in die Schlafsäcke.

Am nächsten Morgen gehen wir den Plattenpfeiler an, vom untersten Ansatz in direkter Linie nach oben. Gut zweieinhalb Stunden kostet uns die erste Seillänge, inklusiv trickreicher Techno-Kletterei, oft an den Eisgeräten, die ich als gigantische Hooks in kleine Löcher oder Risse lege. Um die Mittagszeit sind wir dann unter der Headwall angelangt, dem heikelsten Abschnitt der ganzen Wand. Fünf Seillängen sind es jetzt nur noch und bisher lief alles rund, aber was hat das schon zu bedeuten.

Über gelb-braunen, brüchigen Fels führt die nächste Länge diagonal in die Headwall hinein. Ich schlage die Hauen der Eisgeräte häufig direkt in den Bruch, bis sie irgendwie klemmen, prüfe jeden Tritt, stütze mich vorsichtig nach oben. Wieder einmal hängt der Haulbag fest, weit abseits der Kletterlinie. Ich lasse den Haulbag ab und Michaela muss zurück bis ins darunterliegende Schneefeld, um ihn zu erreichen und in eine andere Bahn zu lenken. Die Zeit verrinnt. Plötzlich ist Nachmittag, und es wird langsam ungemütlich in der Wand.

Der große Plattenquergang der drittletzten Seillänge der „Direkten Nordwand“ erscheint bei den aktuellen Verhältnissen nicht machbar zu sein. Zu wenig und zu schwacher Schnee hier oben. Also entscheiden wir uns für eine andere Variante: von unten direkt in die große Platte hinein. Mir ist kalt, als ich in die nächste Seillänge einsteige. Die ersten Meter entlang eines kleinen Pfeilers gehen noch gut und lassen sich auch vernünftig absichern. Ich steige weiter nach links, auf der Suche nach kletterbaren Strukturen. Die Kletterei in der Platte wird immer haariger. Der Fels hat hier oben quasi keine Reibung mehr, gründlich geglättet durch was auch immer. Immerhin bringe ich noch einen Keil unter, und weiter oben einen halbwegs soliden Pecker, aber keine Ahnung, ob er einen Sturz halten würde. Ich clippe die Bandleiter in den Pecker, steige hoch bis in die oberste Stufe, suche die Felsoberfläche ab, kühle immer weiter aus. Mithilfe eines Hooks, den ich an einer Felsleiste ansetze, schaffe ich noch ein Stück. Nun würde es nur noch in freier Kletterei weitergehen. Sechs, sieben Meter über mir ein feiner Riss, doch ich sehe keine Chance, ihn zu erreichen.

Eine Mischung aus Vernunft und Verzweiflung lässt mich unsere Zielsetzung über Bord werfen und nach der offensichtlichen Lösung greifen: Ich bohre ein kleines Loch, lege einen Hook hinein, steige an der Trittleiter hoch, richte mich auf einer Leiste auf und setzte einen Bohrhaken. Klar, wir haben an den Standplätzen oft genug gebohrt, doch diese beiden Bohrlöcher ändern alles. Zunächst einmal komme ich weiter, erreiche den feinen Riss, das darüberliegende Schneefeld, den großen Plattenquergang der „Direkten Nordwand“, das alles ohne das Risiko eines tödlichen Vorstiegssturzes. Unerreichbar hingegen ist jetzt unser Ziel, diese Route gänzlich ohne gebohrte Zwischensicherungen zu schaffen.

Beim Durchstieg der „Direkten Nordwand“ kletterten wir am Ende fünf Stunden im Dunklen, fast die gesamte Headwall. Nun sind es zum Glück nur die letzten beiden Seillängen bis zur Scharte zwischen Ost- und Hauptgipfel. Ein letzter steiler, vereister Riss, dann das Ausstiegscouloir. Nur noch 30 Meter. Die Kletterei könnte bei ausreichend festem Schnee so einfach sein. Stattdessen klettere ich Zug um Zug am beängstigend brüchigen Fels dieser üblen, kaum absicherbaren Rinne. Wahrscheinlich habe ich meine Klettertechnik im verschneiten, brüchigen Fels während der vielen Winterbegehungen der letzten 15 Jahre perfektioniert. Vielleicht sind es genau diese Situationen, in denen ich am besten funktioniere. Aber reicht das, um dieses Spiel zu kontrollieren?

Körperlich und mental leer erreiche ich schließlich die Metalleiter am letzten Aufschwung vor dem Gipfel. So wichtig mir diese Route war, so sehr beschäftigt mich die Frage, was wir hier geschaffen haben. Hat es irgendeinen Wert? Ist diese Route ein Statement, das ich unterschreiben würde?

In meiner Wahrnehmung erzählt jede Route eine Geschichte und transportiert eine Botschaft. Die Botschaft dieser Route (aus meiner Sicht): ein Bekenntnis zum Alpinismus und zur Akzeptanz des Makels – und im weiteren Sinne zu jener inneren Zerrissenheit, die so viele teilen, die dieses Leben leben.

Nun stehen wir am Gipfel und ich denke an meinen jungen Freund, dem ich diese Route widmen wollte, mit dem Gefühl, dass es kein passendes Geschenk wäre.

Text: Fritz Miller, April 2022
Fotos: Fritz Miller und Michaela Schuster

 

Detaillierte Routeninfo

 

Erstbegehung der Zugspitze Nordwand (Direkte Nordwand)

Unser DAV Mitglied und Bergsteiger Fritz Miller ist eine feste Größe in unserer Bergsportszene. Ein Film zeigt den Trainer des DAV-Expedkaders bei seinen Touren.

Seine extreme Erstgegehung der Zugspitze Nordwand ist auch im Reutlinger Alpinisten Nr. 146 beschrieben.

Fritz Miller (DAV Reutlingen) und Michaela Schuster (DAV Kaufbeuren) eröffnen mit der „Direkten Nordwand“ ein neues Testpiece an Deutschlands höchstem Gipfel.

Bei der „Direkten Nordwand“ handelt es sich um eine schwierige und kühne Winterkletterroute, die Elemente des Winterbergsteigens, des modernen Mixedkletterns und des Bigwallkletterns kombiniert.

Nach Vorarbeiten am 21., 22. und 25.11. konnten Michaela und ich die Route am 28.11. in 15 Std. Kletterzeit durchsteigen. Die letzten 5 Std. kletterten wir dabei im Dunkeln und biwakierten im Anschluss am Gipfel der Zugspitze. Für eine Wiederholung der Route sollten inkl. Zu- und Abstieg drei Tage eingeplant werden.

Vom Ausgangspunkt am Eibsee bis zum Gipfel sind es ziemlich genau 2000 Höhenmeter. Der klettertechnisch relevante Teil des Anstieges hat eine Kletterlänge von 1150 m. Die Schwierigkeiten liegen dabei im Bereich M6, 5+ und A3. Bei der Erstbegehung wurden einzelne Standplätze mit Bohrhaken ausgerüstet. In der gesamten Route wurden darüber hinaus ca. 25 Normalhaken sowie fünf Fixkeile belassen. Während die Stände entweder gut eingerichtet sind oder sich gut einrichten lassen, muss dazwischen über weite Strecken mit minimaler bzw. fragwürdiger Absicherung geklettert werden.

Text: Fritz Miller
Fotos: M. Schuster und F. Miller

HIER geht es zu den Routeninfos „Direkte Nordwand“, Zugspitze Nordwand

Ogre-III-Expedition

Fritz Miller, Rainer Treppte, Franz-Xaver „Xari“ Mayr – 21. August bis 6. Oktober 2017

Skardu, Pakistan, irgendwann in der Nacht zum 26. August. Da stehen sie, zwei der Protagonisten, die sich aufgemacht haben, einen großen Gipfel in der berüchtigten Ogre-Gruppe anzugehen, und geben bestimmt ein erbärmliches Bild ab: Xari in Boxershorts und Handschuhen, ich krank, fiebrig, mit Bauchkrämpfen und Durchfall, zum zweiten Mal in dieser Nacht auf Mäusejagd im Hotelzimmer. Xari schaut auf dem Flur nach, ob die Maus diesmal auch wirklich raus ist, und kommt nach einer überraschenden Begegnung mit einer fetten Ratte schreiend zurück ins Zimmer. Vielleicht sind wir wirklich nicht hart genug für die Ogres, aber wir haben ja noch Rainer. Rainer, der einen langen und bemerkenswerten Weg hinter sich hat, von den Felsen des Elbsandsteingebirges zu den ganz großen Klettereien dieser Erde, zu Royal Flush am Fitz Roy, zu Eternal Flame an den Trango Towers, zu den Bigwalls des El Capitan. Und er ist mit 58 Jahren noch immer nicht müde.

Hinein in eine andere Welt

Mit zwei Geländewagen rumpeln wir nach Askole, dem letzten Dorf. Ich bin immer noch richtig krank und brauche meine ganze Kraft, um mich im Fahrzeug festzuhalten. Am Ziel angekommen will ich nur noch liegen, die anderen schauen sich den Ort an. Askole liegt auf ungefähr 3000 m Meereshöhe. Die Menschen wohnen in einfachen Steinhäusern und leben im Wesentlichen von der Landwirtschaft. Die Expeditionen und Trekkinggruppen bieten für einige die Chance, etwas dazuzuverdienen. Die Winter hier oben sind lang und hart. Der Ort ist dann oft abgeschnitten, weil die einzige Straße verschneit ist. Oder abgerutscht. Ernsthafte gesundheitliche Probleme sollte man besser zu einer anderen Jahreszeit bekommen. Iqbal, der wesentliche Teile unserer Expedition organisiert hat, stammt aus Askole. Er erzählt die Geschichte von einem seiner Brüder, der sich bei der Steinbockjagd aus Versehen ins Gesicht geschossen hat, im Winter, zwei Tagesmärsche vom Ort entfernt. Der verletzte Bruder erreichte Askole zu Fuß und wurde dann von den Männern des Dorfes in einem Rollstuhl geschoben, teilweise auch getragen, bis zu einem Stützpunkt der Armee, der zwischen Skardu und Askole liegt – und überlebte, wenn auch mit einem Auge weniger.

Mehr als nur eine alpinistische Unternehmung

Am nächsten Morgen brechen wir auf Richtung Basecamp, zusammen mit unseren Trägern samt Maultieren und Pferden, unserem einheimischen Trekking-Guide Shakoor, unserem Koch Ali und unserem Küchenjungen Musa. Drei Tage wird der Anmarsch dauern. Mit dem Erreichen des Biafo-Gletschers wird das Gelände zunehmend ruppig. Es geht über Geröll, Fels und Eis, was auf einem Gletscher nun wirklich nicht überraschend ist. Aber wir fragen uns, wie die schwer beladenen Tiere das schaffen sollen. Tatsächlich sind die Maultiere und Pferde ziemlich am Anschlag, denn ein Hufeisen ist einfach kein Steigeisen. Es ist schon fast irrsinnig, welcher Aufwand notwendig ist, damit sich drei Hansel an einem Berg versuchen können. Andererseits: Die Leute sind dankbar für diese Arbeit, und selbst jene Träger, die Lasten auf ihrem Rücken tragen, haben bemerkenswert gute Laune. Und: Wir alle werden in den nächsten Tagen und Wochen ein Stück weit zusammenwachsen. Unsere Expedition wird verbinden, sie wird mehr sein als nur eine alpinistische Unternehmung.

Ein großes, ernstes Ziel

Die Ogre-Gruppe steht für schwierige, gefährliche Berge, für unsicheres Wetter, für viele gescheiterte Expeditionen, für Dramen, für ein paar wenige, dafür herausragende Erfolge. Unser Hauptziel, der Südpfeiler des Ogre III (ca. 6950 m), erscheint im Vergleich zu den Anstiegen an Ogre I und II etwas moderater – obwohl die Route zwischen 6300 m und dem Gipfel harte Bigwall- und Mixedkletterei beinhaltet und der Gipfel überhaupt erst einmal erreicht wurde (im Sommer 2001 von Thomas Huber, Iwan Wolf und Urs Stöcker über den besagten Südpfeiler). Und plötzlich ragt er über uns in den Himmel, dieser gigantische Granitzahn, vor einer Wand aus dunklen Wolken. Nach zweieinhalb Tagen Anmarsch haben wir erstmals freie Sicht auf unseren Berg. Er sieht gut aus, und gleichzeitig unmöglich.

Das lustige Lagerleben

Unser Basecamp liegt geschützt zwischen zwei Moränenrücken und einer grasigen Flanke auf 4470 m. Ein kleiner Bach liefert frisches Wasser, sofern er nicht eingefroren ist, und wir haben jede Menge Platz, denn außer uns ist niemand in der Gegend. Nach einer kurzen Schlechtwetterphase fangen wir an, den weiteren Weg zu erkunden, Material zu schleppen und Fixseile zu verlegen. Zwischen 4800 m und 5100 m führt der Zustieg zum Ogre III durch einen sehr lästigen und nicht ungefährlichen Gletscherbruch, den wir jedes Mal passieren müssen. Der darüberliegende Gletscherkessel ist ganz offensichtlich auch nicht der sicherste Ort, da er von großen Wänden und Flanken umrahmt wir. Zum Glück finden wir unter einer Eisstufe einen halbwegs geschützten Platz für unser nächstes Lager. Die Stellflächen für die beiden Zelte müssen allerdings in stundenlanger Arbeit aus dem Eis gehackt werden. Wir nennen dieses Lager ABC (Advanced Base Camp). Das nächste Lager, Camp 1, richten wir auf 6050 m ein, in einem kleinen Sattel 250 m unterhalb des Südpfeilers. Gleich unterhalb unseres Zelts führt ein steiles Couloir 800 m nach unten, direkt oberhalb kommt eine große Wechte, hinter der eine ebenfalls ungefähr 800 m hohe Wand abbricht. Anfangs hatten wir zur Beruhigung der Nerven ein Seil durchs Zelt gelegt, das vielleicht einen Absturz des Zeltes verhindert hätte. Mit der Zeit wuchs das Vertrauen in die Standsicherheit des Zeltes. Dennoch blieb der Platz ungemütlich, was an den starken Winden und am Schnee lag, der permanent von unten zwischen Innen- und Außenzelt geblasen wurde. Zuerst machten wir den Fehler, das Zelt während einer Schlechtwetterperiode stehen zu lassen. Danach war das Zelt plattgedrückt, weil der Wind viel Schnee zwischen Zelt und Wechte verfrachtet hatte.

Schwierige Entscheidungen

Wieder einmal sitzen wir im Hochlager im schlechten Wetter fest. Es ist schweinekalt, windig und alles ist verschneit. Trotz guter, warmer Stiefel fühlen sich die Zehen leicht angefroren an, genau wie die Fingerspitzen. Wir haben Fixseile bis 6200 m verlegt, doch darüber wird das Gelände erst richtig schwierig. Wir könnten weitergehen, aber es erscheint aussichtslos. An schweres Klettern ist nicht zu denken. Eine grundlegende Wetteränderung ist nicht in Sicht. Am nächsten Morgen bauen wir die Fixseile ab und seilen alles Material über unsere Aufstiegsroute ab, bis zum ABC. Auf der einen Seite bin ich müde und enttäuscht, auf der anderen Seite erleichtert, weil das endlose Abwägen ein Ende hat. Wir sind am Ogre III gescheitert, aber zumindest haben wir unser größtes Ziel erreicht, nämlich dort nicht zu sterben.

Und doch noch ein Gipfel

Es bleiben nur noch wenige Tage, bis wir den Heimweg antreten müssen. Wir nützen die Zeit, um einen kleineren aber formschönen Berg zu erklettern. Xari begleitet Rainer und mich ins ABC, bleibt aber dort, weil er vom Reizhusten starke Schmerzen im Brustkorb hat. Der Anstieg führt zunächst südseitig über eine große Schnee-/Eisrinne zu einem Sattel östlich des Gipfels. Von dort geht es nordseitig weiter, noch vier bis fünf Seillängen zum Gipfelgrat (M5 und ein Pendelquergang über eine glatte Platte). Rainer und ich schaffen den noch unbenannten Gipfel, der laut GPS eine Höhe von 5640 m hat. Wahrscheinlich ist uns die Erstbegehung des Berges geglückt. Am Gipfel lassen wir einen Standplatz aus Klemmkeil und Schlaghaken zurück und Seilen dann über die Route ab.

Bye bye

Einen Monat lang war das Basecamp unser Zuhause. Es war Startpunkt unserer Unternehmungen und Zielpunkt, wenn wir erschöpft abgestiegen sind. Jetzt heißt es Abschied nehmen. Ein letzter Blick zurück, dann machen wir uns auf den langen Weg nach Hause. Eisiger Wind bläst Graupel über den Biafo-Gletscher, dunkle Wolken verdecken die Ogres.

Die ersten Häuser von Askole, zwei Tage später Skardu, bald darauf Islamabad. Europa, Deutschland, Reutlingen. Nach einer großen Reise kommt man ein Stück weit verändert zurück, in eine Welt, die sich weitergedreht hat. Gleich geblieben ist die Überzeugung, dass es sich lohnt, weit zu gehen auf der Jagd nach den seltenen Momenten, in denen wir ganz oben stehen.

Dank

Mein Dank gilt Xari, Rainer und unserem Team von Shipton Treks&Tours für die gute Zeit vor Ort. Außerdem möchte ich mich beim Deutschen Alpenverein, insbesondere bei meiner Sektion (Reutlingen) für die finanzielle Unterstützung bedanken, und natürlich bei meinen langjährigen Sponsoren und Ausrüstern VAUDE, Bergfreunde.de, Edelrid, Lowa und Red Chili. Darüber hinaus wurden wir bei dieser Expedition mit Material unterstützt von Julbo, PowerBar und Osprey – Danke vielmals! Herzlichen Dank auch an Thomas Huber (für alles Mögliche), Karl „Charly“ Gabl (Wetterberichte), Andree Schmidt (medizinische Beratung) und an alle, die an uns gedacht haben und Daumen gedrückt haben!

Text: Fritz Miller, Fotos: Rainer Treppte, Franz-Xaver Mayr, Fritz Miller

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